Bernsteine & Tollkirschen

Es gibt ein Essen hier, das ist unglaublich. Ständig mache ich neue Experimente, habe Dinge im Mund, die ich vorher noch nie gegessen habe. Abgesehen von in der Hand gebratenen Fleischspießchen an der Straße bin ich ziemlich unternehmungslustig...

.... und habe mir bisher weder eine schwere Magenverstimmung und Übelkeit noch Blähungen geholt. Auch musste ich niemals ausspucken bisher. Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht, wundersame Geschmacke taten sich auf und es fällt schwer, diese zu beschreiben, weil man sie ja eben nicht vergleichen kann. Gerade eben, völlig unorthodox im Bett, habe ich Tütchen geöffnet aus der Delikatessabteilung des Carrefour. Es gibt da einen Sand, zu Quadern gepresst, in durchscheinendes Pergamentpapier verpackt und ausschließlich chinesisch bedruckt. Wenn man diesen isst, zerstaubt er auf der Zunge. Er zergeht, kühlt, ist trocken und saftig in einem, gar nicht so süß und doch betörend, nicht überschwer und dennoch gehaltvoll, als habe man es mit der Quintessenz einer ganzen Bäckerei zu tun. Dieser Sand ist wie Blütenstaub und jetzt habe ich ihn in mir, gleich zwei von diesen Backsteinchen, einer ocker, einer grau. Ich warte auf die Nebenwirkungen. Als ob dem nicht genug wäre sind da noch zwei verschweißte Plastiksäckchen, im einem bernsteinfarben-opake Früchtchen, an deren Oberfläche sich feiner Zucker niedergeschlagen zu haben scheint, im anderen Tütchen sind verschrumpelte Bällchen, so groß wie Muskatnüsse. Weil es so an Gewürze erinnert, bin ich dementsprechend vorsichtig beim zubeißen. Der Schmerz bleibt aus, es ist wie eine festere Cocktailkirsche, also beherzter hineingebissen, den Kern entlang geschabt und geschmatzt. Innehalten, den Geschmacksnerven lauschen, die trotz meines Schnupfens keck aufgelegt sind. Mir schwindelt ein wenig, weil ich keinen Halt unter den Füßen habe, weil ich nicht weiß, woran ich sein soll. Meinte ich eben, den Geschmack erfasst zu haben, schon ist da wieder ein neuer. Also nicht zu sensibel: andere Tüte auf, die Bernsteine. Schon beim Anfassen kommt gläserner Honig aus einem Riss. Bevor es die Bettdecke erwischt, stecke ich das Ding in den Mund, beiße eine Hälfte ab und will ins Innere dieses sabbernden Früchtchens blicken. Es ist aufgeteilt in Kammern, die jenen Honig beinhalten. Zusammen mit den weichen Kernen könnte man zu dem Schluss kommen, es handele sich um kandierte Minimandarinen!? Wie dem auch sei, ich habe nicht die geringste Ahnung, ob so etwas hier auf den Bäumen wächst oder in einem aufwendigen Prozess hergestellt wird. So aufwendig kann er allerdings auch wieder nicht sein, denn die ganze Packung kostet vierzig Cent. Selbst wenn ich Schokolade Tafel weise essen kann, wenn ich einmal dabei bin, mehr als sechs von den orangenen und drei von den dunkelroten, der Kerne jetzt in der Zimmerecke liegen sind nicht drin. Gegen den Durst nehme ich noch einen Schluck kalten grünen Tee aus der Plastikflasche, schmecke erst einmal gar nichts mehr. Nach dem Zähneputzen stellt sich heraus, dass der Tee leicht gesüßt ist und erfrischt.